Mitfahrzentralen im Web – 1 Jahr nach Einführung des kostenpflichtigen Buchungssystems bei MFG

Vor genau einem Jahr hatte mitfahrgelegenheit als erste Web-Mitfahrzentrale in Deutschland die Kostenpflicht für seinen Dienst eingeführt. Ich hatte hierüber gebloggt und einige Prognosen zum Funktionieren des Geschäftsmodells gegeben.

Ein Jahr ist ein guter Zeitpunkt, diese Prognosen zu hinterfragen und auch über das erste Jahr des Buchungssystems bei MFG zu berichten.

Prognose Marktpositionierung

Ich schrieb im Mai 2013: „Wesentlich spricht die bisher erarbeitete Marktpositionierung für sich. MFG ist mit deutlichem Abstand Marktführer in Sachen Frequenz und Inseratsbestand. Zwar gibt es zahlreiche kostenfreie Alternativen, diese haben jedoch nicht annähernd die dominierende Stellung von MFG. Anbieter von Fahrten werden ihre Angebote zwar auf weiteren Plattformen einstellen, auf MFG werden die wenigsten verzichten wollen. MFG wird faktisch nicht geschwächt. Die Vermittlungswahrscheinlichkeit wird weiterhin für MFG sprechen.“

Der aktuelle traffic-Vergleich (Quelle alexa.com) bestätigt diese Prognose:

alexa_mfgsMFG ist nachwievor Marktführer. Die wenigsten Fahrer haben offensichtlich auf diese Webseite verzichtet. Eine wesentliche Schwächung der Webseite fand nicht statt. Jedoch hat sich die Mitfahrzentrale BlaBlaCar dem Platzhirsch mittlerweile dicht an die Fersen geheftet.

Alle Webseiten halten sich in Punkto eingestellter Angebote und vermittelten Fahrten mehr bedeckt bzw. wären diese Zahlen ausser bei MFG auch gar nicht belegbar. Hinsichtlich traffic, die auf eine jeweilige Vermittlungswahrscheinlichkeit schließen lassen, zeigen sich sehr deutlich die Unterschiede der beiden führenden Webseiten zu den anderen Angeboten.

BlaBlaCar Deutschland ist praktisch zeitgleich mit MFG-Kostenpflichteinführung in Deutschland 2013 gestartet. Sicherlich nicht zufällig, sondern mit einem ausgezeichnetem Timing. BlaBlaCar ist alles andere als ein Startup und kein Neuling am Markt, sondern bereits international in über 10 Ländern aktiv. Das Unternehmen, gegründet 2004, mit Sitz in Paris beschäftigt mittlerweile über 60 Mitarbeiter. Zu den Investoren zählen mitunter Accel Partners und ISAI.

BlaBlaCar ist in Deutschland kostenlos. Meine persönliche Überzeugung: Noch. Denn die kommerzielle Ausrichtung als auch das bereits etablierte Geschäftsmodell „Vermittlungsgebühren mit Buchungssystem“ (bisher nur in Frankreich) lassen absehbar erkennen, dass die Einführung der Kostenpflicht nur eine Frage der Zeit (entsprechende Marktpositionierung im jeweiligen Land) ist. Dafür wurde ordentlich rangeklotzt. BlaBlaCar ist bestimmt nicht nur aufgrund seiner Funktionalität oder seines Angebotes innerhalb 12 Monaten auf Platz 2 im deutschen Markt geklettert. Der immense Werbedruck sorgte für den wichtigen Fakt traffic für die ausschlaggebende Vermittlungswahrscheinlichkeit. Mundpropaganda oder „kennt man halt“ ist hier schon lange nicht mehr das Kriterium. Naturbedingt müssen hier die anderen kostenlosen, lediglich mehr oder minder professionell werbefinanzierte Seiten im Webmarketing sparen oder sogar gänzlich darauf verzichten.

Fahrer stellen ihre Angebote dort ein, wo sie die meiste Resonanz erfahren. Ob Fahrer auf Dauer mehr als zwei oder drei Webseiten mit ihren Angeboten füttern werden, wenn die Resonanz bereits genügt, ist fraglich.

Prognose Kostenlos / Umlage von Kosten

Ich schrieb im April 2013: „Nachwievor gilt: Für Mitfahrer ist das Portal weiterhin kostenlos. Fahrer können zwar die Gebühren auf ihre Mitfahrpreise umlegen, müssen sich jedoch wieder in der Preistransparenz zu anderen Anbietern, etablierten Preisen auf Strecken und nun auch neu mit Fernbussen messen. Ein preislicher Trend nach oben wird sich für Mitfahrer nicht entwickeln.“

Für Mitfahrer ist es nachwievor egal, wo sie ihr Angebot finden. Denn es bleibt für sie kostenlos. Auch können es sich die Fahrer nicht groß erlauben, die Gebühren auf ihre Mitfahrer umzulegen. Das übrige Angebot reguliert den Preis. Mitfahrangebote auf MFG sind nach meinem Eindruck keinesfalls teurer als auf anderen Webseiten.

Prognose Akzeptanz des Buchungssystems und Verlässlichkeit der Buchungen

Ich schrieb im Mai 2013: „Der Mensch ist kein Umgewöhnungstier. Nach einer Phase der Ablehnung wird das Buchungssystem fürs Mitfahren jedoch auch auf anderen Mitfahrplattformen so selbstverständlich werden, wie die Nutzung von anderen Reservierungssystemen in Restaurants, bei Fluglinien und Hotels. Der Nutzen für Fahrer mit No Show-Erlebnissen (Mitfahrer, die nicht kommen oder kurzfrsitig absagen) wird zukünftig mehr geschätzt werden. Der Nutzerkreis der potentiellen Fahrer, die z.B. aus diesem Grund oder Kommunikationsaufwand entweder dem Mtfahrgedanken absprangen oder skeptisch gegenüberstanden, wird steigen. Mitfahrgemeinschaften zudem mit Marktplatzfunktion haben hohe soziale Effekte. Userprofile, Bewertungspunkte, usw. All das könnte zukünftig eine genau so große Rolle wie auf ebay spielen.“

Noch immer versuchen sicher Fahrer, das Buchungssystem zu umgehen. Doch diese Energie hat zum einem durch Kontroll- und Reaktionsmassnahmen nachgelassen. Aber auch die natürliche Akzeptanz entwickelt sich weiter. Zwangsläufig. Denn auch Umgeher nutzen das Buchungssystem und helfen dadurch indirekt zur Akzeptanz auf Mitfahrerseite weiter. GenereViele Fahrer schätzen mittlerweile das Buchungssystem auch aus Überzeugung und haben zudem den Nutzen erkannt, wenn man MFG wie ich ausschliesslich nutzt: Verfügbarkeitsaktualisierung sowie sofortige und automatisierte Bestätigung in Echtzeit.

mfg7Dies schärft auch die Angebotsaktualität für Mitfahrer…

MFG hat in den letzten 12 Monaten auch im wichtigen Punkt Verlässlichkeit justiert und experimentiert. So wurde z.B. die Stornierungsbedingung „72h bei Onlinezahlung“ wieder abgeschafft. Stornierungsbedingungen lassen sich eben anscheinend (leider) nicht etablieren. Zu kurzfristig und auch unverpflichtbar sind beide Seiten in der Verabredung und Einforderung von Ersatzleistungen bei Nichtzustandekommen.

Mit dem Bchungssystem lassen sich dennoch unzuverlässige Nutzerkreise mit zwei interessanten Wegen ausfiltern:

mfg6Zum einem in einer Validierung der Anfrage (Verhinderung von Mehrfachbuchungsanfragen für eine Strecke), aber auch wesentlich des Communityprinzips vergleichbar des „Eingeschränkten Käuferkreises“ bei ebay. Das System erkennt unzuverlässige Teilnehmer bzw. Fahrer oder Mitfahrer melden diese. Ich bin davon überzeugt, dass dieser Fakt im Communityprinzip zukünftig noch sehr viel Gewichtung haben wird. Ich sehe diesen Part bei MFG noch nicht ausgereift. Das Portal, welches diesem Punkt sehr sorgfältig sehr viel Beachtung zukommen lassen wird , wird bei seinen Nutzern punkten. Jeder möchte auf unzuverlässige Fahrer oder Mitfahrer und kurzfristige Stornierungen mehr als gerne verzichten.

Die Wichtigeit der sozialen Funktion spiegelt sich auch in den Bewertungsprofilen wieder. Wer ebayt, kennt die Wichtigkeit und Wirkung der Bewertungspunkte und -Kommentare.

Mein Fazit:

Das war also der große MFG-Boykott, den jeder propagierte. Geschmeidiger Pustekuchen. Wenn jeder an sich und sein volles Auto denkt, ist halt auch irgendwie an alle gedacht. Mir ist das nur recht, denn ich bin ein Freund von tragfähigen Geschäftsmodellen und deren Weiterentwicklung im Web.

Durch den großen und ungleichen (Werbe)druck durch die beiden großen Player MFG und BlaBlaCar werden es die kleineren kommerziellen Anbieter und NonProfits zukünftig sehr schwer haben.

Wettbewerb belebt das Geschäft: MFG wird sich durch den Rivalen BlaBlaCar auf seiner Führungsposition nicht ausruhen können. Beide Unternehmen haben meiner Meinung ein ausgezeichnetes Management.

Ich bin gespannt, wann BlaBlaCar den Schritt zur Monetarisierung und Einführung seines Buchungssystems in Deutschland macht.

blabla

13 Gedanken zu „Mitfahrzentralen im Web – 1 Jahr nach Einführung des kostenpflichtigen Buchungssystems bei MFG

  1. Grundsätzlich stimme ich dir zu, dass MFG immer noch die populärste Website ist. Gleichzeitg möchte ich aber v.a. auf zwei Punkte eingehen:
    Mich als Mitfahrer stört das Buchungssystem leider etwas, da ich sehr häufig eine Fahrt gebucht habe und zig Stunden später eine Antwort vom Fahrer bekomme, dass er schon ausgebucht sei. D.h. ich darf wieder auf die Suche gehen. Natürlich liegt hier häufig ein Fehlverhalten vom Fahrer vor, dennoch ist es für mich als Mitfahrer zum Teil extremst nervig. Da muss noch etwas verbessert werden, weil das mich zum Teil zu anderen Plattformen bringt in denen ich mehrere Fahrer (was für Fahrer nicht optimal ist) direkt kontaktieren kann.

    „Nachwievor gilt: Für Mitfahrer ist das Portal weiterhin kostenlos. Fahrer können zwar die Gebühren auf ihre Mitfahrpreise umlegen, müssen sich jedoch wieder in der Preistransparenz zu anderen Anbietern, etablierten Preisen auf Strecken und nun auch neu mit Fernbussen messen. Ein preislicher Trend nach oben wird sich für Mitfahrer nicht entwickeln.”
    Dies ist zwar durchaus richtig, aber ich kann einen leichten Rückgang als Mitfahrer bei angebotenen Fahrten entdecken. Dies lässt sich auch recht einfach mikroökonomisch mit der Funktionsweise von Märkten erklären: Der Mitfahrer ist z.B. bereit 6€/100km zu bezahlen und dies wäre auch für den Fahrer akzeptabel. D.h. Vermittlung ist erfolgreich. Bei gleichbleibenden Preis für den Mitfahrer aber geringerem Preis für den Preis (5,40€/100km) ist die Fahrt für den Fahrer nicht mehr lohnenswert, d.h. keine Vermittlung. Für regelmäßige Fahrer sind die 0,60€ meistens mit dem erhöhtem Komfort der Plattform vertrettbar, aber v.a. für Wenignutzer gilt das nicht und durch die Angabe der Kontodaten, etc. enstehen noch zusätzliche Opportuninätskosten. Im Endeffekt landen solche Fahrten dann bei der Konkurrenz. Somit wäre dieser Effekt erklärt.

    Viele Grüße

    • @Ulrich Ich kenne die Plattform nur aus Fahrersicht. Klar ist das extrem ungünstig für Mitfahrer, wenn die Absage erst nach Stunden kommt. Auch gibt es noch vielfach Unsicherheit, ob die automatisierte Buchung auch tatsächlich dann auch klappt. Da die Buchungen bei Verfügbarkeit automatisiert sofort bestätigt werden, muss der Fahrer ja seit einiger Zeit den Platz stornieren. Man kann davon ausgehen, dass sich das Stornierungsverhalten im Fahrerprofil auswirkt bzw. darstellt. Die Daten sind noch im sehr jungem Stadium.

      Zum zweiten Punkt:

      >>
      Bei gleichbleibenden Preis für den Mitfahrer aber geringerem Preis für den Preis (5,40€/100km) ist die Fahrt für den Fahrer nicht mehr lohnenswert, d.h. keine Vermittlung.
      >>

      Ersetze „nicht“ durch „weniger“ und gehe mit Dir d’accord. Keine Buchung ist immer noch schlechter als eine Buchung, für die man was abdrücken muss. Umso früher ich meine Kiste voll habe, desto besser. Das ist bei MFG oder nun auch BlaBlaCar am wahrscheinlichsten der Fall. Ich könnte mir vorstellen dass umso länger die Strecke, umso höher die derzeitige Abwanderung (zu BlaBla), da es dann doch paar Euronen Vermittlungsgebühren x3 Plätzen sind. Das kann dann jedoch wieder die Buchungsqualität (Vorqualifizierung der Mitfahrer) wett machen.

      Aber abgesehen davon, finde ich die Kostenbeteiligung bei vielen Fahrtangeboten schon pervers hoch. Ab 5 EUR/100 bereits beginnt für mich schon ein gewinnorientiertes Denken (bei 4 Plätzen hat man tatsächlich idR 3,40 Spritbeteiligung auf 100). 5,40 wär immer noch im mehr als grünem Bereich und sicher noch lohnenswert für den Fahrer.

      Im Niveau ist eigtl. noch gut Platz für jemanden zum Mitverdienen. Und das kann durchaus auch BlaBlaCar irgendwann mit der Nase vorn sein.

  2. Nun ja dann sieh dir mal die Grafik an….. das ist die Realität wie es um mitfahrgelegenheit.de bestellt ist

    Visits User generierter Content

    • Danke. Sind die Werte öffentlich abrufbar? Wenn ja, wo genau, bevor ich länger suchen müsste?

      Die Zahlen, die ja eine Aussagekraft zum Inseratsverhalten geben würden, wären sicher nicht ohne und schon beeindruckend. Im Umkehrschluss – und ich möchte wirklich nicht den Versuch unternehmen eine Statistik schönzureden – wäre es aber auch so, dass weniger eingestellte Fahrtangebote bei MFG seit Einführung der Kostenpflicht wesentlich mehr Nachfrage und damit sehr viel höhere Vermittlungsquote haben. Denn der traffic und Suchanfragen hat nur unwesentlich abgenommen.

      Interessant wäre weiter eine Erhebung, wie es bei den anderen Portalen im Vergleich aussieht und wer am meisten/wenigsten von der Abnahme bei MFG und Zunahme des Neulings BlBlaCar partizipiert hat.

  3. Also ich habe auch festgestellt, daß ich auf meinen Strecken auf jeden Fall häufiger als noch zu Kostenloszeiten ausgebucht bin. Zuverlässiger sind auf jeden Fall auch die Buchungen geworden. War aber früher auch schon gut. Gebühren teile ich mir eh mit den Mitfahrern. Kein großes Ding.

  4. Ich inseriere seit geraumer Zeit stets in blablacar und mfg. Ich habe eine starke Verschiebung hin zu Blablacar festgestellt. Über MFG bekomme ich nur noch selten Buchungen. Auch wenn ich Mitfahrer bin, finde ich in der Regel mehr Angebote auf blablacar. Es ist nur eine Frage der Zeit bis MFG seine Marktführerschaft verloren hat. Wenn das nicht sogar längst der Fall ist, denn was bringen ca. 4 Mio. registrierte User, wenn kaum einer aktiv ist. Ich vermute, dass sich die wenigstens die Mühe machen und ihren Account bei MFG löschen. Bequemer ist es ihn einfach nicht weiter zu benutzen oder nur noch sekundär bei MFG zu inserieren.

  5. ja, einerseits finde ich es gut, dass mfg.de „geschluckt“ wird. andererseites befürchte ich auch, dass damit gleichzeitig auch die kostenlose nutzung von blablacar vom tisch ist. die jetzige entwicklung zeigt ja jetzt schon, dass die nutzer nicht weiter zu den kostenlosen plattformen abwandern, das wird jetzt erst recht nicht mehr der fall sein, sondern alle werden sich in ihr schicksal ergeben und zahlen.
    ich bin gespannt wie die beiden plattformen verschmolzen werden, user profile usw., denn ich kann mir nicht vorstellen, dass beide seiten so weiter parallel existieren sollen.

  6. Pingback: Mitfahrzentralen – Von einem Dienst aus der Kostenloskultur zur Rekommerzialisierung – Teil 2 | Klaus Wolfrum

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