Kostenlosfallen im Internet und Wertschätzung

Hin und wieder senden wir für Frankentipps Briefmailings an potentielle Veranstalterkontakte zur Neukundengewinnung. Die Reaktionen folgen einem ganz natürlichen Nein/Vielleicht/Ja-Muster:

  • Kein Interesse aus welchem Grund auch immer -> keine Reaktion, Ablage P.
  • Interesse -> Registrierung, Nutzung
  • oder ggf. vorab noch Kontaktaufnahme zur Rückfrage -> anschliessend Registrierung oder Nichtnutzung

Mehr Möglichkeiten gibt es eigentlich nicht. Bei Frankentipps geht es nur um ein paar Groschen/Euro Werbeeinsatz. Kein großes Drama für eine größere Abwägung oder Entscheidung.

Unsere Mailings sind generell ohne Reaktions- oder Aktionsincentive gestaltet. Ich fasse auch nicht – weder per E-mail noch telefonisch – bei angeschriebenen Kontakten nach. Wer will, der wird. Wer nicht, der nicht. Alles sehr entspannt und ganz abseits von allen möglichen Vertriebskünsten.

Selten erhalte ich weiteres Feedback, welches ich außergewöhnlich interessant finde. Als Antwort erhielt ich von der stellvertretenden Geschäftsleitung und Online-Marketing Verantwortlichen einer fränkischen Tourist Information (TI) folgende Antwort per E-Mail:

Guten Tag, lieber Herr Wolfrum,

vielen Dank für Ihr freundliches Anschreiben vom 20. März 2017. Allerdings haben wir kein Interesse, unsere Veranstaltungen in kostenpflichtigen Veranstaltungskalendern zu bewerben.

Die Mitarbeiterin macht sich explizit die Mühe, meine Briefpost per E-mail zu beantworten und mir eine Nichtinanspruchnahme ausdrücklich zu begründen: Die generelle Kostenpflicht von Frankentipps.

Einige Wochen später nehme ich in meinem persönlichen Facebook-Newsstream ein gesponsortes Posting in deutscher Sprache von genau dieser Tourist Information zu einer Ihrer kommenden Veranstaltungen wahr. „Gesponsort“ bei Facebook bedeutet, dass der Seitenbetreiber sein Posting bezahlt ausspielen lässt, um Nutzer in diesem sozialen Netzwerk zu erreichen.

Beide Begebenheiten sind interessant genug, sie sich einmal näher zu betrachten:

Eine 1-tägige Veranstaltung kostet bei Frankentipps 80 Cent inkl. Mehrwertsteuer Einstellgebühren, keine weiteren Kosten oder Verpflichtungen. Unser Konditionsmodell stellt meiner Meinung nach eine der günstigsten und fairsten Angebote am Markt dar. Die Preise bei Facebook sind Budgetorientiert. Man kann praktisch soviel ausgeben, so viel Kontakte man erreichen möchte und wieviel man bereit ist, je Klick/lead etc. zu bezahlen.

Ich möchte in dieser Betrachtung gar nicht darauf hinaus, welche Webseite günstiger oder mehr Leistung fürs Geld bietet. Sicherlich ist es auch nur sinnvoll, sich bei Facebook auch monetär zu engagieren. Zum Erreichen der regionalen Zielgruppe als auch insbesondere der internationalen Tourismuszielgruppe mit Postings in deren Landessprache. Nur: Bei einem heimischen Anbieter und einer in aller Bescheidenheit sehr erfolgreichen Webseite für die regionale Zielgruppe mit zudem mittlerweile 2 Arbeitsplätzen inkl. deutschen Lohnnebenkosten aber auch Konsumverhalten der Mitarbeiter in der Heimat werden Kosten generell abgelehnt, ohne überhaupt die Leistung zu hinterfragen. Bei einem U.S.-Konzern mit Versteuerung seiner Gewinne überall, nur am wenigsten wahrscheinlich in Deutschland, ist das Entscheidungskriterium Kosten erstaunlicherweise anscheinend unrelevant.

Warum ist das so?

Zum Start von Facebook überzeugte das Soziale Netzwerk des U.S.-Konzerns meines Erachtens wesentlich mit 2 Argumenten:

  1. Facebook ist und bleibt für alle kostenlos
  2. Kostenlose Präsenz und anfänglich auch kostenlose Reichweite für Firmen und Organisationen

Die phänomenale Entwicklung ist allen durch diese zwei Erfolgsfaktoren mit wesentlich dem Lockstoff „kostenlos“ bekannt. Die Webseite hat mittlerweile das Internet soweit dominiert und fragmentiert, dass z.B. Interaktionen wie Kommentare nicht mehr in den Blogs oder den verlinkten Webseiten selbst, sondern vornehmlich nur noch auf Facebook stattfinden. Nutzer wurden überaus erfolgreich gebunden und etablierten die Webseite als meistfrequentierteste Kommunikationszentrale – auch über Marken und Firmen – im Web. Dort, wo die meisten Konsumenten sind, engagieren sich auch die Unternehmen.

Die Strategie: Mit Investorenkapital wurde unbesehen eines Ertrages zuerst eine Marktpositionierung aufgebaut. Die anfänglich zur Verfügung gestellte kostenlose Reichweite für Firmenseiten (sog. organische Reichweite für mit dem Unternehmen verbundenen Fans) auf Facebook wurde nach der Erreichung dieser dominierenden Marktpositionierung zwischenzeitlich drastisch gen 0 gedrosselt. Firmen müssen sich nun auf Facebook monetär engagieren, um überhaupt ihre ggf. mit zuvor finanziellen Engagement aufgebaute Abonnentenzahl zu erreichen. Die Notwendigkeit, die eigene Facebookseite mit Interaktionen am Leben (=Interaktivität) zu erhalten, nötigt nun finanziellen Einsatz im kostenlosen Facebook ab. Kostenlos kann langfristig halt doch teuer werden….

Erinnern wir uns wieder an die Online-Marketing Verantwortliche der Tourist Information: Keinen Cent für Frankentipps, diese jedoch in Euro bzw. US-Dollar für Facebook. Sie entscheidet über ein Budget ihrer Kostenstelle der Stadt oder Gemeinde und Mitgliedsbeiträgen. Sie gibt bereits schon längst Geld für die Online-Bewerbung ihrer Events in Veranstaltungskalendern aus. Direkt oder indirekt, z.B. mittels Mitgliedsbeitrag bei ihrer touristischen Dachorganisation oder mittels Anzeigenwerbung in traditionellen Medien, z.B. der Lokalpresse. Und nun auch beim „kostenlosen“ Facebook. Nur ist es ihr offensichtlich gar nicht bewusst.

Diese Mitarbeiterin ist jedoch kein Einzelfall. Sicherlich lehnen uns auch noch andere Entscheider potentieller Veranstalter aufgrund unserer generellen Kostenpflicht ab. Ob diese sich für ihre Veranstaltungen andernorts im Netz monetär engagieren, weiß ich natürlich nicht.

Ich denke, das Verhaltensmuster eines solchen Kostenlositisverhaltens rührt aus einem persönlichen Nutzerverhalten im Web. Viele digitalen Güter oder Leistungen von globalen Anbietern werden für Konsumenten entweder durchwegs gratis oder anfänglich gratis angeboten und demnach dann auch sehr intensiv in Anspruch genommen und lieb gewonnen. Ein solches Verhaltensmuster wird dann an den Arbeitsplatz für geschäftliche Entscheidungsprozesse einfach mitgenommen. Man ist durch die Kostenloswelt im Netz sehr schnell verblendet, zudem wenn dann noch dominierende oder angesagte Marken wie Facebook und Google zur Disposition als Werbeträger stehen. Das Fatale mit diesem Denken und was vielen Entscheidern gar nicht bewusst ist: Der oftmals stets selbst propagierte buy local Gedanke bleibt auf der Strecke. Für eine Tourismusdestination ist das langfristig besonders bitter. Denn man schneidet sich damit selbst ins eigene Fleisch.

Unbestritten ist aber natürlich auch, dass das Thema Veranstaltungskalender aus der Historie entstanden tatsächlich kostenlosen Ursprung hat: Stadtmagazine, Lokalzeitungen usw. haben sich als Existenzbrechtigung mit dem Dienst eines kostenlosen Veranstaltungskalender überhaupt erst geschaffen. Solche Geschäftsmodelle bestehen noch und weiterhin. Jedoch gibt es aber auch insbesondere mit den neuen Medien auch neue Geschäftsmodelle im Medienwandel. Diesen Prozess können viele Entscheider selbst noch nicht annehmen und in Ihrem Tagesgeschäft umsetzen.

Ich bin weder verägert ob dieses Verhaltens noch frustriert. Das war ich offen gestanden früher einmal, weil ich es einfach nicht verstanden habe. Heute geht es glücklicherweise Frankentipps gut genug, damit wir einen gewissen Kreis von ablehnenen Nutzern entbehren können. Leider natürlich. Wir wollen dies aber jedoch ausdrücklich aber dann. Denn was wir in unserer Arbeit festgestellt haben: Wir erhalten eine gänzlich andere Wertschätzung für unsere Leistung als wenn wir Gratisleistungen anbieten würden. Aus jahrelanger Erfahrung weiß ich, dass bei kostenlosen Leistungen eine Wertschätzung häufig nur solange anhält, bis Kosten entstehen. Die Wertschätzung wird von einer bestimmten Nutzergruppe im Netz ergo wesentlich nur auf den Aspekt kostenpflichtig ja/nein reduziert. Mit dem konsequenten Fernhalten dieser doch recht speziellen, nicht rational erklärbaren Schnorrer-Nutzergruppe haben wir selbst ein wesentlich besseres Arbeitsumfeld und ganz nebenbei ein deutlich gesteigertes Nutzerniveau von Veranstaltern.

Mit Alphabet Inc (Google, Youtube u.w.), Amazon und Facebook bewegen wir uns auf Monopolstrukturen zu, wie wir sie bisher in der Weltwirtschaft noch nicht gekannt haben. Wir fühlen uns unseren Veranstaltern mit Leistung zum Dank verpflichtet, dass sie sich neben Facebook gerade auch für uns als regionalen Anbieter aus ihrer Heimat entschieden haben und eine echte Innovation fränkischen Ursprungs am Markt überhaupt erst ermöglichten.

Ansonsten bin ich auch mehr als froh, dass wir unsere Kostenetablierungsstrategie unserer Webseite von Anfang an einfach ehrlich und transparent gestaltet haben.

Übrigens: Die thematisierte Tourist Information nutze Frankentipps in der Startphase (kommuniziert begrenzter Startzeitraum für 0,00 EUR) sehr rege.

Beste Grüße!

Klaus Wolfrum